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LEHRMETHODEN

Offener Unterricht: Merkmale, Ziele, Methoden & Kritik

 

Kapitel:

  1. Die 4 Merkmale des offenen Unterrichts
  2. Die 5 Dimensionen des offenen Unterrichts
  3. Ziele vom offenen Unterricht
  4. Praxiserfahrungen mit offenem Unterricht
  5. Kritik offener Unterricht: Vor - und Nachteile

Offener Unterricht ist ein Konzept, das dem Frontalunterricht gegenübersteht. Anstatt dass du als Lehrer mit einem fertigen Konzept und Unterrichtsplan 📜 sowie einem erklärten Ziel 🎯 vor der Klasse stehst, sind Inhalte, Methoden und Organisation weitgehend offen. 🔓

Der offene Unterricht unterscheidet sich von anderen Formen durch mehr Individualität, soziale Interaktion und übergreifendes Lernen. Eine eingrenzende oder abschließende Definition gibt es nicht, denn das Konzept ist eben selbst offen. Im Folgenden beschäftigen wir uns aber mit den Merkmalen, Zielen und Methoden im offenen Unterricht und gehen auch auf Kritikpunkte ein. 👍

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Die 4 Merkmale des offenen Unterrichts

 

Offener Unterricht als Begriff kann verschiedene Konzepte oder Ansätze bezeichnen. Daneben gibt es auch “Offenes Lernen” oder “Offene Arbeit”, welche für Variationen stehen können oder synonyme Bedeutung haben. Die Erziehungswissenschaft kennt keine eindeutige Definition dieser Begriffe. Wichtigster Punkt ist, dass der offene Unterricht sich wesentlich vom Frontalunterricht entscheidet. 📖

Du als Lehrperson stehst dabei nicht im Zentrum, sondern wirst zum Begleiter der Schüler bei ihrem Lernprozess. Offen bedeutet, dass die Schüler wesentliche Elemente des Unterrichts mitbestimmen ☝️ oder selbst festlegen: Inhalte und Interessen beim Lernen, Vorgehensweise, soziale Interaktion oder auch fächerübergreifendes Lernen etwa. Offenheit bedeutet damit aber auch Transparenz, denn Lernziele und Vorgänge sind für die Lernenden durchschaubar. 🪟

Der Ansatz entwickelt sich ständig weiter und greift je nach Ausprägung unterschiedliche Ideen der Reformpädagogik auf.  💡 Offen heißt nicht unbedingt "offen für alles" im Sinne von "alles ist erlaubt". Der offene Unterricht soll auch nicht radikal 💥 den Frontalunterricht überall und gänzlich ersetzen, sondern Mischformen und Ergänzungen bilden.

Im offenen Unterricht bestimmen die folgenden Prinzipien 🏫 das Lernen: Entdecken, Lösung von Problemen, Handeln, Selbstverantwortung. Mögliche Formen der Ausgestaltung oder Umsetzung können beispielsweise Freiarbeit, Projektarbeit, Stationsarbeit, Planung oder Kooperation sein.

Daraus ergeben sich die folgenden vier Merkmale des offenen Unterrichts:

1. Selbstbestimmung und Mitbestimmung 

Die Schüler und ihre Interessen stehen im Mittelpunkt. Sie sollen möglichst eigenständig entscheiden können, welche Formen und Mittel der Arbeit sie einsetzen, mit wem sie kooperieren und welche Inhalte und Methoden ihr Lernen bestimmen. Sie planen, wählen und handeln selbstständig in Bezug auf ihre Aktivitäten und holen sich Hilfe, wo diese nötig ist.

2. Lehrer sind “nur” Begleiter

Im offenen Unterricht gibt der Lehrer das Geschehen nicht vor, sondern fördert und begleitet es. Die Lehrperson ist nicht das Zentrum der Planung und hat kein Monopol, sondern ermöglicht Handlungsspielräume und ist Helfer, Selbstorganisation, Interessen, Ansprüche, Wünsche und Fähigkeiten umzusetzen.

3. Entdeckendes Lernen

Die Schüler setzen sich aktiv mit den Lerninhalten auseinander und lösen dabei eigenständig Probleme. Beim Entdecken kann das Ziel offen sein. Das heißt, dass die Schüler ihren eigenen Weg suchen und nicht unbedingt wissen, wo dieser endet.

4. Methodik

Die Lehrperson gibt die Arbeitsformen nicht vor, sondern die Schüler suchen nach geeigneten Methoden mit Freiarbeit, Wochenplan und Projekten. Das kann kooperatives Arbeiten und Lehren von anderen Schülern beinhalten, was die soziale Interaktion fördert.

 

Die 5 Dimensionen des offenen Unterrichts

 

Falko Peschel ist ein Lehrer und Pädagoge, der sich im eigenen Unterricht und in seinen Büchern mit neuen Unterrichtskonzepten beschäftigte. 🚸 Er beschreibt den offenen Unterricht 🚪 anhand von fünf Dimensionen. Diese konkretisieren die Freiheiten der Schüler und lassen sich daher auch verwenden, um die "Offenheit" jedes Lehr- oder Lernkonzepts zu untersuchen. 🔑

  1. 🤔 Organisation: Die Schüler entscheiden über die Rahmenbedingungen ihres Lernens, also was wann auf ihrem Plan steht und mit wem sie gegebenenfalls zusammenarbeiten wollen.
  2. 🛣️ Methodik: Der Weg ist nicht vorgegeben. Die Lernenden bestimmen selbst, wie sie ihre Ziele erreichen wollen.
  3. 📒 Inhalt: Ein offener Lernplan gibt den Schülern einen inhaltlichen Rahmen vor. Innerhalb dessen können sie aber selbst entscheiden, womit sie sich beschäftigen.
  4. 🧑‍🤝‍🧑 Sozial: Eine Klasse oder Lerngruppe führt sich (eventuell unter Anleitung) selbst. Konkrete Entscheidungen, die alle betreffen, fällen die Schüler im Plenum oder in der Abstimmung. Die Schüler legen für sich Regeln fest und diskutieren, wie sie mit Verstößen umgehen.
  5. 🤝 Persönlich: Die Schüler bilden untereinander Beziehungen, aber auch mit dem begleitenden Lehrpersonal. Die individuelle Entwicklung steht im Vordergrund und diese Offenheit erkennt an, dass die Schüler am Ende der Schulzeit nicht “gleich” sein müssen.

 

Ziele von offenem Unterricht

 

Die Ziele 🎯 des offenen Unterrichts stellen die Schüler in den Vordergrund. Das Wissen, dass sie erwerben, soll für sie persönlich interessant, hilfreich und bedeutungsvoll sein. Zusammen mit Wissen 🧠 sollen sie sich aber auch das selbstständige Arbeiten und Lernen sowie soziale Kompetenzen aneignen. 👆

Erhalt und Förderung der Individualität der Schüler ist also ein wichtiges Ziel im offenen Unterricht. Die Schüler bekommen eine Vorstellung davon, was ihre eigenen, optimalen Lernvoraussetzungen sind und wie sie effektiv und eigenverantwortlich selbst lernen können. Dies steht der “Gleichmacherei” 👬🏻 des Frontalunterrichts gegenüber: Dort müssen Lehrer oft hohen Aufwand betreiben, um alle Schüler auf denselben, vor Lehrplan vorgeschriebenen Stand zu bringen, häufig mit Nachteilen für Schüler mit abweichenden Fähigkeiten. ☹️

Der offene Unterricht erkennt also die Unterschiede zwischen Schülern in einer Lerngruppe oder Klasse an und will diese auch nicht ausgleichen. Das Prinzip der Differenzierung im offenen Unterricht zielt darauf ab, heterogenen Unterrichtsgruppen gerecht zu werden. So sollen alle Schüler ihr Leistungs- und Entwicklungspotenzial bestens ausschöpfen können. 💪

Das bezieht sich nicht allein auf Bildung und Wissen, sondern auch auf weitere Kompetenzen: Methodik, sozialer Umgang und personale Kompetenzen sollen im offenen Unterricht ebenfalls Förderung erfahren. 🫶

Das Ziel des veränderten Lernens im offenen Unterricht begleitet das Ziel einer veränderten Rolle des Lehrers. Der Lehrer “verkörpert” nicht mehr das Unterrichten, sondern analysiert, beurteilt und diagnostiziert, um seiner Rolle als Berater und Begleiter gerecht zu werden. 🫴 Durch das Kooperieren mit anderen Lehrkräften und das Moderieren und Begleiten der Kooperation zwischen Schülern sowie die Vermittlung im Sozialen erfüllt der Lehrer automatisch auch erzieherische Aufgaben. 🧸

In Bezug auf die Lehrer zielt der offene Unterricht also darauf ab, dass sich Unterricht entsprechend der Lernfähigkeiten der Schüler und ihrer Erweiterung entwickelt, dass die Schüler Lern- und Arbeitsprozesse weitestgehend selbst organisieren und dass die Lehrkräfte die Entwicklung der Schule selbst und des Lernens in Eigenverantwortung voranbringen. 🚏

 

Praxiserfahrungen mit offenem Unterricht

 

Falko Peschel begleitete eine Grundschulklasse vier Jahre "ohne Unterricht", was ein Einzelfall ist. In der Praxis ist der offene Unterricht keine Reinform, sondern findet in Ergänzung zu anderen Unterrichtskonzepten statt. Freiheit und Offenheit  👐 können in der Praxis mit verschiedenen Formen und Methoden unterschiedlich ausfallen.

Freiarbeit

Freiarbeit hat vor allem durch das Montessori-Konzept große Bekanntheit erlangt. Die Schüler wählen aus vorbereiteten Lernmaterialien 📚 selbst aus und arbeiten damit frei und eigenständig. Interessen sind ausschlaggebend, der Lehrer kann aber Vorschläge und Hinweise geben und den Prozess beeinflussen. Die Offenheit der Methodik und Inhalte liegt im mittleren Bereich, während bei der Organisation große Offenheit besteht.

Projektarbeit

Eine Gruppe arbeitet gemeinsam an einem konkreten Projekt und erarbeitet dabei Vorgehensweise und Lösungsansätze. Abschließend findet eine Nachbereitung statt. 🧩 Die Auseinandersetzung in Eigenregie soll Kompetenzen fördern und individuelle Interessen bei der Themenfindung berücksichtigen. Für Methoden und Organisation besteht hier hohe Offenheit, für Inhalte mittlere Offenheit.

Stationslernen

Das Arbeiten mit Lernstationen ähnelt der Freiarbeit. Allerdings wählen die Schüler nicht aus den verfügbaren Angeboten, sondern durchlaufen unterschiedliche Stationen 🚉 oder Arbeitsplätze mit wechselnden Angeboten. Das Spektrum an Erfahrungen und Inhalten kann hier breit oder eng gefasst werden und Pflichtaufgaben mit freiwilligen Aufgaben mischen.

Entdeckendes Lernen

Das entdeckende Lernen kommt aus den Naturwissenschaften, wo die Schüler in Experimenten oder in der Natur Phänomene und Arten beobachten 🧑‍🔬 und sich mit gezielten Fragen beschäftigen. Durch Anpassung und entsprechende Materialien wie Texte, Bücher, Multimedia und Recherchemöglichkeiten kann das entdeckende Lernen aber prinzipiell in allen Fächern Anwendung finden. 🕵️

Werkstattunterricht

Die “Lernwerkstatt” ⚙️🔧 ist eine Lernumgebung für den offenen Unterricht, in der die Schüler in verschiedene Richtungen gehen können. Die Angebote können sich in Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit lösen lassen. Lehrkräfte sind hier Berater, Helfer und Moderatoren. Aufgrund hoher Materialanforderungen kann es jedoch zur starken Einschränkung bei den Inhalten kommen. Die Organisation ist in hohem Maße offen, die Methodik nur im mittleren Bereich. 🧰

Wochenplan

Die Schüler erstellen einen Plan für die kommende Woche, der Pflichtaufgaben und freiwillige Arbeit abdeckt. 📆 Die Kinder erfüllen schrittweise die Anforderungen, sind aber bei Tempo und Reihenfolge frei, unter Umständen auch bei der Wahl des Ortes, der Kooperation und der Hilfsmittel. Der Wochenplan ist eine “milde” Form des offenen Unterrichts. Der Lehrer kann hier beratend und helfend auftreten, aber auch steuern und kontrollieren.

 

Kritik offener Unterricht: Vor - und Nachteile

 

Gerade die “offene” Definition des Konzepts offener Unterricht kann als Vor- und Nachteil gleichzeitig begriffen werden. 👍👎 Durch die nicht absolute Festlegung einer genauen Beschreibung kann das Konzept wachsen und sich an neue Erkenntnisse anpassen. Gleichzeitig ist es ein Kritikpunkt, dass die angewandten Methoden willkürlich erscheinen können und Begriffe wie “Offener Unterricht”, “Offenes Lernen” oder “Offene Arbeit” zum Qualitätsprädikat 💎 selbst geraten können, ohne dass damit ein Standard oder Mindestanspruch verbunden ist. 🤯

Qualität, Effizienz und Wirkung des offenen Unterrichts sind immer vor allem an den Ergebnissen zu beurteilen. Gegebenenfalls ist ein Hinterfragen oder Anpassen des Konzepts notwendig. Wichtig für die Kritik des Konzepts sind die folgenden Vor- und Nachteile:

 

 

PRO

CONTRA

Das Konzept betont und fördert das selbstständige Lernen der Schüler und damit das lebenslange Lernen: Auch im weiteren Verlauf ihres Lebens wissen die Schüler, wie sie sich Inhalte aneignen können.

Die Anwendung in “Reinform” ist kaum möglich und wird unter anderem als “radikal” wahrgenommen.

Nicht nur die Wissensvermittlung steht im Zentrum, sondern auch weitere Kompetenzen und Soziales.

Eine Bewertung der Leistungen der Schüler durch Noten ist kaum möglich. Damit ergibt sich ein Problem der Vereinbarkeit mit der typischen institutionellen Ordnung des Schulsystems.

Kinder können schon früh herausfinden, was ihnen wichtig ist oder wo Begabungen und Interessen liegen.

Selbstorganisation und das Suchen von Aufgaben kann Kinder überfordern.

Schüler können in ihrer eigenen Geschwindigkeit und mit bevorzugten Methoden und Vorgängen lernen.

Lerngruppen und fächer- sowie altersübergreifende Gemeinschaften begünstigen nicht alle Kinder; Außenseiter können sich vernachlässigt fühlen.

Das Lösen von Problemen und die Kooperation sind wesentlicher Bestandteil des Unterrichts.

Wie alle Unterrichtskonzepte hat auch der offene Unterricht Schwierigkeiten, “Extreme” zu integrieren, beispielsweise Verhaltensauffälligkeiten oder Schüler mit Einschränkungen.

Anders als beim Frontalunterricht stehen die Schüler den Lehrkräften nicht direkt gegenüber. Durch das “Lernen durch Lehren” erfahren sie, wie sich Unterrichten anfühlen kann.

Methoden wie Projektarbeit oder Freiarbeit stellen unter Umständen höhere Ansprüche an die Gegebenheiten in der Schule als Frontalunterricht.

Offener Unterricht muss nicht in Reinform angewendet werden, sondern kann andere Konzepte begleiten und ergänzen.

Planung und Organisation erfordern mehr Zeit als im “traditionellen” Unterricht.

Offener Unterricht kann Schüler durch individuelle Förderung besser auf das “moderne” Berufsleben, in dem sie sich immer wieder neu ausrichten müssen, vorbereiten.

Offener Unterricht widerspricht der klassischen Ausrichtung der Leistungsgesellschaft.

 

Welche Konzepte für Unterricht kennst du sonst noch? Vergleich doch zum Beispiel einmal den offenen Unterricht mit der Methodik der Jenaplan Schule!

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